Hebriden-Trekking #1: Reif für die Insel

Abgelegener als auf den Äußeren Hebriden kann eine Trekkingtour kaum sein, dachten wir uns und machten uns auf, das Geheimnis dieser schottischen Inseln zu lüften.
Wir wussten nur wenig über sie, nur dass sie klein und einsam weit draußen im stürmischen Atlantik waren, und dass die wenigen Bewohner angeblich noch Gälisch als Muttersprache sprächen. Nicht zuletzt zogen sich auch so illustre Persönlichkeiten wie Frankenstein dorthin (bzw. auf die Orkneys) zurück, um vor der Zivilisation und gewissen Monstern zu fliehen.

Unser Ziel ist Harris, der südliche Teil der Insel Lewis and Harris, die den nördlichen Abschluss der Outer Hebrides bildet. Zum Trekking bieten sich dort die North Harris Hills an. Der Name spricht für sich. Unser Plan ist im Wesentlichen eine Querfeldein-Besteigung sämtlicher Hügel in Rekordtempo. Zumindest fast. Zu diesem Zweck haben wir die folgende Geländekarte gekauft (West Lewis & North Harris 1 : 50 000), denn obwohl es auf Harris auch ein paar ausgeschilderte Wanderwege gibt, führen diese nicht auf alle Gipfel hinauf, und einfach frei draufloswandern macht sowieso mehr Spaß!

Wie weit entfernt vom Rest der Welt die Äußeren Hebriden wirklich sind, merkt man spätestens bei der Anreise: Im frühen Morgengrauen brechen wir in Edinburgh auf; mit dem Citylink Bus geht es zunächst nach Glasgow, von wo eine weitere Citylink Linie durch die westlichen Highlands, dann über die Skye Bridge und schließlich in das Dorf Uig am nördlichen Ende der Isle of Skye fährt. Wir sind fast die einzigen Passagiere in dem großen Reisebus, die tatsächlich bis zur Endstation mitfahren. Dies ist verständlich, denn in Uig gibt es wenig außer dem kleinen Hafen, von dem aus die CalMac-Fähre zu den Äußeren Hebriden übersetzt.

Echtes schottisches Wetter auf der Überfahrt.

Es ist bereits später Nachmittag, als wir am Fährterminal ankommen, und wir sind noch lange nicht am Ziel. Unser Ziel heißt Tarbert, ein für hebridische Verhältnisse größerer Ort auf der Isle of Harris und neben der Hauptstadt Stornoway (mit Flughafen!) die einzige direkte Verbindung mit der Außenwelt.

Abgesehen von uns und der Besatzung ist die Fähre fast leer, wir teilen uns die geräumige Lounge mit Ausblick nur mit einer englischen Familie. Es ist schon etwas lustig, dass für die Handvoll Insulaner und Urlauber eine solche Fährlinie aufrecht erhalten werden muss. Unterwegs machen wir noch einen Zwischenstopp in Lochmaddy auf North Uist. Von Deck beobachten wir das Anlegemanöver an einer Insel, deren einziges Zeichen der Besiedlung die spärliche Straßenbeleuchtung des Hafenortes in der Dämmerung ist. Jetzt sind wir wirklich ganz weit draußen angekommen. Ein, zwei Autos verlassen das Schiff, dann geht es weiter Richtung Harris.

Viel Platz auf der Fähre.

Zwischenhalt in Lochmaddy.

Als wir in Tarbert nach unserer über 12-stündigen Reise anlegen, ist es schon 22 Uhr und stockfinster. Der Hafen und der ganze Ort sind wie ausgestorben um diese Zeit. Unser Plan sieht vor, Tarbert auf der Hauptstraße in Richtung Osten (Urgha) zu verlassen, um den Anfang des Wanderwegs in Richtung North Harris Hills zu finden, wo wir – entfernt von der Bebauung – unser Zelt aufschlagen wollen.
Zunächst müssen wir aber unsere Wasservorräte auffüllen. Wir versuchen es beim Fährterminal, doch das hat schon zu. Zum Glück sehen uns zwei Hafenarbeiter, die noch die letzten Arbeiten des Tages verrichten. Sie lassen uns netterweise in die Küche des kleinen Hafengebäudes. Während wir unsere Wassersäcke und -flaschen voll machen, hören wir die wohl erste Unterhaltung unseres Lebens in schottischem Gälisch! Nicht, dass irgendwer von uns auch nur ein Wort Gälisch verstünde, aber es ist schon beeindruckend, eine fast ausgestorbene Sprache einmal nicht nur auf Verkehrsschildern, sondern tatsächlich im ganz normalen Alltagsgebrauch zu sehen.

Das Auffinden unseres angepeilten Zeltplatzes gestaltet sich in der Dunkelheit (und dem zu allem Überfluss auch noch einsetzenden Regen) als schwieriger als gedacht. Die Region um Tarbert ist leider zu südlich und auf unserer Karte nicht eingezeichnet, sodass wir mit Google Maps und aus dem Gedächtnis navigieren müssen. An einer Stelle nehmen wir eine Abzweigung, die uns, wie wir bald feststellen, unserem Ziel nicht näher bringt, sondern zu der kleinen Siedlung Urgha führt. Eine Sackgasse! Es heißt umkehren und weiter der Hauptstraße folgen, obwohl wir nicht einmal sicher sind, ob unser Ziel noch vor uns liegt oder ob wir es beim Taschenlampenlicht übersehen haben. Inzwischen geht es auf Mitternacht zu und es ist nass, kalt und dunkel. Alle wollen nur noch ins Bett. Irgendwann hat unsere Wanderung ins Ungewisse schließlich doch noch ein Ende, als wir den Parkplatz finden, von dem aus der Wanderweg abzweigt. Wenige Meter von dort, noch im vollen Sichtbereich der Straße, schlagen wir auf dem Pfad das Zelt auf. Plötzlich fährt auf dieser gottverlassenen Insel mitten in der Nacht noch ein Auto vorbei. Auf unserer Höhe, etwa 100 Meter entfernt, bleibt es stehen und wendet langsam, bis wir voll im Lichtkegel der Scheinwerfer stehen. Anscheinend beobachtet uns der Fahrer beim Zeltaufbau! Nach einer Weile beschließen wir, dass es hier bestimmt keine wahnsinnigen Serienkiller gibt und entsenden einen Verhandlungsführer. Es stellt sich dann heraus, dass der Harrisianer nur aus Sorge und nicht aus niederträchtigen Motiven gehandelt hat und er gibt sich zufrieden, als wir ihm unsere Wanderpläne schildern. Wildcampen ist hier natürlich auch kein Problem. So eine Fernlicht-Blendetaktik gehört aber trotzdem ins Verhörzimmer des KGB und nicht auf eine friedliche schottische Insel!

Weiterlesen: Hebriden-Trekking #2: Bergsteigen auf Schottisch

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